Der Riss in der Festung

Der Riss in der Festung – Warum Deutschland von innen und außen unter Druck steht

Der Blick auf die Weltlage gleicht derzeit der Analyse eines labilen Kartenhauses. Da sind die militärischen Nadelstiche an der NATO-Ostflanke, die Drohung mit dem Abschuss russischer Flugzeuge und eine scharfe Rhetorik, die das Ende des „business as usual“ verkündet. Doch während wir gebannt auf die geopolitische Front blicken, übersehen wir möglicherweise die Risse im Fundament unserer eigenen Festung.

Die NATO hat eine klare Botschaft an Moskau gesendet: Das Spiel der Provokationen ist beendet. Die Drohung, russische Jets abzuschießen, ist kein Zeichen der Verzweiflung, sondern eine kalte, kalkulierte Abschreckung. Sie signalisiert: Wir sind bereit, auch extreme Risiken einzugehen, um die roten Linien der Allianz zu verteidigen. Doch wie wir gesehen haben, ist die russische Führung, die von „biologischen Rentnern“ wie Putin und Lawrow angeführt wird, möglicherweise bereit, genau diese Risiken in Kauf zu nehmen. Für sie geht es nicht um rational-ökonomische Abwägungen, sondern um ein historisches Vermächtnis, das um jeden Preis verteidigt werden muss – selbst wenn es in einer Katastrophe endet. Eine russische Wirtschaft im freien Fall ändert daran wenig; sie könnte die Führung sogar zu noch verzweifelteren Manövern verleiten.

Doch die eigentliche Zerbrechlichkeit der Festung Deutschland zeigt sich nicht an den Außengrenzen, sondern im Inneren. Die politischen Entwicklungen sind besorgniserregend. Während das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) politisch in der Versenkung zu verschwinden scheint, entfaltet die AfD eine gefährliche Dynamik. Ihre pro-russische Haltung, gepaart mit einem Narrativ der Spaltung, bedroht die innere Einheit des Landes.

Die Behauptung, die AfD würde bewusst auf einen „Bürgerkrieg“ zwischen einem pro-russischen und einem pro-westlichen Lager hinarbeiten, mag weit hergeholt klingen. Doch ihre Rhetorik, die Misstrauen gegen staatliche Institutionen sät und die Gesellschaft polarisiert, wirkt wie ein perfekter Katalysator für eine Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Eine gespaltene Bevölkerung ist weniger widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse und anfälliger für Desinformation. Das ist ein Geschenk für jede fremde Macht, die ein Interesse daran hat, unsere Demokratie zu schwächen.

Das wirft die entscheidende Frage nach der Stärke unserer Demokratie auf. Wir rühmen uns unserer unabhängigen Justiz, die uns vor staatlicher Willkür schützt. Aber was ist, wenn diese Unabhängigkeit selbst infrage steht? Die Tatsache, dass Richter Mitglied von Parteien sind und die Besetzung höherer Gerichte politisch beeinflusst wird, ist ein offenes Tor für Zweifel. Es nützt nichts, auf die Unabhängigkeit der Justiz zu verweisen, wenn die Menschen das Vertrauen in sie verlieren. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Eliten ohnehin bröckelt, sind solche Wahrnehmungen toxisch.

Die deutsche Demokratie ist nicht so fragil, dass sie zusammenbricht. Aber sie ist verwundbar. Ihre größte Stärke ist die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen und zu korrigieren. Die wahre Gefahr droht nicht von einem einzigen Feind. Sie entsteht, wenn äußere Bedrohungen auf innere Schwachstellen treffen. Wir müssen beides verstehen: die militärische Eskalation an der Grenze und die schleichende Erosion im Inneren. Nur dann können wir die Risse in unserer Festung reparieren, bevor es zu spät ist.