Berlin.
Einen leichten Job haben Lehrer ganz sicher nicht. Doch welche Maßnahmen sind in Ordnung, wenn sie Schüler in ihre Schranken weisen, und wann ist auch juristisch eine Grenze überschritten?
„Häufig wissen die Lehrer selbst nicht so ganz genau, was sie dürfen und was sie nicht dürfen“, sagt der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke. In einem Video auf dem YouTube-Kanal der Kanzlei WBS, in der er Partner ist, erklärt er, wie weit Lehrer gehen dürfen.
Ein Überblick:
1. Eintrag ins Klassenbuch
Als pädagogische Maßnahme erlaubt. Eingetragen werden könne etwa unentschuldigtes Fehlen oder Stören des Unterrichts. „Das gehört alles ins Klassenbuch“, so Solmecke.
2. Verweis erteilen
Unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Sollten Schüler dauernd stören und überhaupt nicht auf den Lehrer reagieren, sind laut dem Rechtsanwalt eine schriftliche Ermahnung und ein Eintrag in die Schulakte angebracht.
3. Nachsitzen
Bedingt erlaubt. Kann dann angeordnet werden, wenn der Schüler etwas verpasst hat, nicht jedoch als Strafe. „Es geht darum, dass der Schüler den Unterrichtsstoff, den er versäumt hat, nachholen soll. Da kommt es auf die Verhältnismäßigkeit an“, sagt Solmecke.
4. Vom Unterricht ausschließen
Erlaubt, wenn Schüler stören oder verschuldet zu spät kommen.
5. Strafarbeiten
Möglich. Allerdings müsse es sich dabei um eine Maßnahme zur pädagogischen Förderung handeln. Heißt: 100 Mal den gleichen Satz an die Tafel schreiben, sei nicht erlaubt. Auch einen Schüler in die Ecke zu stellen, sei nicht zulässig, da diese Strafe entwürdigenden Charakter habe. Häusliche Nacharbeiten seien aber möglich. Ebenso Strafen, die das Fehlverhalten verdeutlichten.
6. Körperverletzungen
Selbstverständlich nicht erlaubt. Solmecke führt aber einen Fall an, in dem ein Lehrer einem Schüler eine Ohrfeige verpasst hat, nachdem er zuvor von diesem während eines Streits zwischen Mitschülern angegriffen worden war. Das Gericht urteilte, er habe in Notwehr gehandelt.
7. Kollektivstrafen
Die gesamte Klasse zu bestrafen, weil sich einer falsch verhalten hat, ist nicht erlaubt. „Das sind Kollektivstrafen und die verstoßen gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze. Deshalb müsst ihr euch solche Kollektivstrafen als Schüler auch nicht gefallen lassen“, sagt Solmecke.
8. Noten vorlesen
Verboten. Dabei handelt es sich um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung.
9. Ranzen durchsuchen
Verboten.
10. Handys wegnehmen
Ist dann erlaubt, wenn der betroffene Schüler den Unterricht stört. In der Regel aber nur bis zum Ende des Schultags. Was laut Solmecke nicht geht: draufschauen oder sogar gezielt durchsuchen.
11. Liebesbriefe vorlesen
Auch das verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht. Der Lehrer dürfe die Briefe nicht einmal im Stillen für sich lesen.
12. Umfang der Hausaufgaben
Die Menge der Hausaufgaben ist klar geregelt. In der 1. und 2. Klasse sind bis zu 30 Minuten erlaubt, in der 3. und 4. Klasse 60 Minuten. Ab der weiterführenden Schule summiert sich der Umfang auf höchstens 90 Minuten in der 5. und 6. Klasse. Von der 7. bis zur 10. sind bis zu 120 Minuten gestattet. Ab der 11. Klasse gibt es keine Zeitempfehlung mehr.
13. Klassenarbeiten
Auch hier gibt es ein Limit: drei Klassenarbeiten pro Woche sind noch in Ordnung, alles darüber verboten. Unangekündigte Arbeiten sind in der Regel nicht erlaubt, unangekündigte Tests allerdings schon.
14. Ungenügend wegen Spickzettel
Einen Schüler durchfallen zu lassen, weil er einen Spickzettel benutzt hat, ist erlaubt. Sollte ihm jemand beim Schummeln geholfen haben, drohen auch ihm Sanktionen.
15. Nach dem Klingeln überziehen
Das ist möglich, wenn es einem pädagogischen Zweck dient. Wenn also etwa ein Unterrichtsthema nur so noch abgeschlossen werden kann. Nicht erlaubt ist es aber als anlasslose Strafe.
16. Themen nicht behandeln
Alles, was im Lehrplan steht, muss im Unterricht vorkommen – auch wenn der Lehrer eine Abneigung gegen Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Sexualkunde hegt.
17. Kleidervorschriften
Immer wieder gibt es Meldungen, dass Schulen bestimmte Kleidungsstücke verbieten wie etwa besonders kurze Hosen. Solmecke sieht dabei das Persönlichkeitsrecht der Schüler eingeschränkt. Fest steht: Es gibt viele Sonderregelungen. So sehen einige Schulordnungen etwa das Tragen von Uniformen vor, in Bayern verbieten sie Niqab und Burka im Unterricht.
18. Recht auf Verteidigung
Wird einem Schüler eine Strafe auferlegt, muss sich dieser auch verteidigen dürfen – um so vielleicht die Vorwürfe aus der Welt schaffen zu können. Das geschieht in der Regel vor der Klassenkonferenz.
19. Hitzefrei geben
Freie Hand hat der Lehrer hier nicht. Hitzefrei werde ab einer Raumtemperatur von 27 Grad Celsius gewährt – allerdings nur in der Sekundarstufe 1, erklärt Solmecke. Übrigens: Es gibt auch Kältefrei. Und zwar immer dann, wenn das Thermometer im Klassenzimmer unter 20 Grad fällt.
20. Toilettenverbot
Ein Verbot, das verboten ist. „Es ist natürlich eine wahnsinnige Entwürdigung, wenn ein Schüler, der auf Toilette muss, nicht auf Toilette gehen kann“, sagt Anwalt Solmecke. (cho)
Quelle: Der Westen